Nicht schon wieder keine Tore (2016)

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Der Ball ist rund. Wie groß er sein soll, steht auf einem anderen Blatt. Bild: (c) flo-job Büro

Jetzt geht das wieder los! In meiner Wahrnehmung teilt sich die Welt ab Freitag wieder in jene, die an akutem Fußballfieber leiden und in jene, die vernunftbegabt sind, dem Ganzen wenig abgewinnen und immer noch Lesen die beste aller Freizeitbeschäftigungen finden. Tatsächlich aber gibt es nicht wenig Grenzgänger die Lesen, Schreiben und Fußballspieler auf einen Nenner bringen. Einer davon ist mein Kollege und Co-Autor hier: Florian Pittroff, der sich kurz vor der Europameisterschaft noch durch einige Fußballbücher gelesen hat.

Beispielsweise durch dieses druckfrische Diogenes-Werk:
„Nicht schon wieder keine Tore“, Geschichten und Gedichte rund um den Fußball, herausgegeben von Winfried Stephan, Mai 2016, Diogenes Verlag

 Schade, die „Geschichten und Gedichte rund um den Fußball“ beginnen etwas zäh. Es ist – um in der Fußballersprache zu bleiben - zu Beginn ein Abtasten. Die fiktiven Briefe des Bundestrainers an seine Frau Daniela von Moritz Rinke kommen etwas langatmig um die Kurve. Und auch die autobiografische Erzählung „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ von Friedrich Christian Delius sowie die Erzählung „1954“ von Günter Grass nehmen nicht so richtig Fahrt auf.

Aber das bleibt im Verlaufe der 272 Seiten zum Glück nicht so. Ein Höhepunkt: „Dantes Tragödie“. Das ist die Geschichte über den verheerenden Fußballabend, den der brasilianische Verteidiger Dante bei der Weltmeisterschaft 2014 im legendären Halbfinale gegen die DFB-Elf erlebte. Schlagfertig und wortgewandt erzählen Tim Jürgens und Philipp Köster, wie der Brasilianer zum Einsatz kommt, wie es nach 29 Minuten 5:0 für Deutschland steht und wie der schwärzeste Tag im Leben von Dante seinen weiteren Verlauf nimmt. „ Es war einer der Tage, an denen jeder noch in Jahrzehnten weiß, wo er sich aufhielt, als es passierte. Die Antwort des brasilianischen Verteidigers Dante lautet: “Ich war in der Hölle“.

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Brecht gegen Florian Pittroff? Auch das eine unglaubliche Geschichte. Bild: (c) flo-job Büro

Friedrich Torberg, Urs Widmer, Wiglaf Droste und Benedict Wells leisten ihren Beitrag dazu, dass die Begegnung, respektive das Buch, dann doch immer besser wird. Neben  Schriftstellern kommen auch Fußballer zu Wort - beispielsweise Sepp Maier, Günter Netzer, Uli Hoeneß, der sich an seinen verschossenen Elfer beim EM-Finale 1976 erinnert oder Paul Breitner, der von der Erfüllung eines Jugendtraums und von Real Madrid erzählt. Über das bemerkenswerteste Kunstereignis des Jahres 1929 - Schalke 04 gegen Arminia Hannover - hat Bertolt Brecht einen Text verfasst. Oder doch nicht? Die unglaubliche Geschichte die dahinter steht, ist reizvoll und interessant zugleich.

Eine dann doch ganz gelungene literarische Einstimmung auf das bevorstehende Fußball-Fest!

Florian Pittroff

www.flo-job.de

Verfasst von

Das Literaturblog Sätze&Schätze gibt es seit 2013. Gegründet aus dem Impuls heraus, über Literatur und Bücher zu schreiben und mit anderen zu diskutieren.

6 thoughts on “Nicht schon wieder keine Tore (2016)

  1. Sagt der Steuerhinterzieher auch was zu seiner Knast-Zeit in Landsberg im Buch ??? ;-)))))
    Ich werde es bei der EM wie immer bei den Turnieren halten: ab und an ein Spiel schauen und trotzdem die Literatur und die Musi nicht vernachlässigen ;-))
    Liebe Grüße,
    Gerhard

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    1. Weiß nicht, da muss ich Florian fragen, der das Buch gelesen hat. Aber wahrscheinlich gibt es von Uli eh irgendwann dann eine verherrlichende Biographie. Neulich hatte ich übrigens eine witzige Begegnung im Zug nach Frankfurt mit einem 60erFan - er und seine vier Kumpels unterhielten sich erst mal von München bis Stuttgart über Fußball. Und plötzlich sagte einer: „Was ist eigentlich mit deinem Buch?“ Der Kerl (Mitte 30) zückte tatsächlich einen Band mit Gedichten, den er im Selbstverlag herausgegeben hatte. Ein anderer las drin und sagte fachmännisch - „ja, erinnert mich ein wenig im Stil an Gottfried Benn“. Zu schade, dass ich aussteigen musste - ich hätte mit denen gerne eine Geschichte gemacht:-)

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      1. Dieser Kommentarist ja wirklich eine besonders schöne Story. Fußball als jegliche Gesellschaftsgrenzen überschreitendes Phänomen ist schon faszinierend. Mir fehlt da irgendwie das passende Fußball-Gen. Dennoch setzte ich mit gern zur WM in die Biergarten, schau mir die Leute an und freu mich an der Gaudi.
        Jedenfalls ein netter Lesetipp für die nächsten Wochen - merci.

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      2. Die Situation war einfach so klasse - vor allem weil einige Sitze weiter ein älteres Ehepaar war, das sichtlich die Nase rümpfte wegen der Fußballbegeisterung. Denen fiel die Kinnlade runter, als die Jungs plötzlich Gedichte zitierten:-)

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      3. Hört sich gut an ;-))) Sind halt alles Intellektuelle, die Löwen-Fans, eh klar. Kann ich aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis nur bestätigen ;-))))))
        Liebe Grüße,
        Gerhard

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      4. Fußballfans sind auch nicht mehr das, was sie mal waren (Gott sein Dank). Der eine schreibt Gedichte, der andere hatte eine Dallmayer-Tüte dabei, der dritte erzählte vom vhs-Kurs mit dem Fanbeauftragten:-) Und beim letzten Spiel des VfB in Augsburg enterten die Fans die beste Konditorei in der Stadtmitte, um die Kuchen-Flatrate auszunutzen. Kein Wunder sind die Stuttgarter abgestiegen:-)

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